Heute berichtet der Journalist Wolfgang Stephan über die letzte Auslieferung eines Airbus A380 an Emirates Airlines und die Einstellung der Produktion dieses Großraumflugzeugs.

Es sollte der Jet des 21. Jahrhunderts werden. Ein Flugzeug der Superlative, der größte Flieger in der zivilen Luftfahrt. Seit 2005 fliegt der Riesenvogel A380 und begeistert seine Passagiere. Doch statt der geplanten 700 Verkäufe konnten gerade einmal 251 Flugzeuge der Passagierversion verkauft werden. Vor zwei Jahren wurde das Programm eingestellt, Ende 2021 wurde in Finkenwerder der letzte dieses einstmals gefeierten Großfliegers der Luftfahrt an Emirates ausgeliefert. Es ist ein geplatzter Traum für Airbus, aber nicht das Ende des Flaggschiffes der Luftfahrt. Der Airbus A380 wird noch lange fliegen. Seinen Platz in der Geschichte hat dieses Flugzeug längst. Auch wegen der vielen Fehlkalkulationen und Pannen, die den A380 von Anfang an begleiteten.

Schauplatz Toulouse. 27. April 2005. Es war ein großer Tag für Airbus: Viele tausend Menschen hatten sich schon am Vormittag um die Start- und Landebahn am Flughafen in Blagnac versammelt, 50 000 verfolgten an überdimensionalen Leinwänden rund um das Werksgelände den Erstflug des größten je gebauten Verkehrsflugzeugs der Welt. Es war ein Volksfest der „Grand Nation“. Nach drei Stunden und 54 Minuten endete der Jungfernflug im Jubel der Massen. Der Aufstieg des Super-Fliegers schien grenzenlos, die A380 hatte schon damals die Welt der europäischen Luftfahrt verändert. Vor allem der Standort in Hamburg Finkenwerder war nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit den Nachbarn und Umweltschützern mit einer verlängerten Start- und Landebahn und einer Erweiterung des Werkes in die Elbe (Mühlenberger Loch) für den Großflieger monströs verändert worden. Rund um das Werk siedelten sich viele Zulieferer an, ein Forschungszentrum (ZAL für angewandte Luftfahrtforschung) wurde errichtet, ein Hotel für die Großkunden aus aller Welt gebaut. Alle A380-Flieger für europäische und Kunden aus dem Nahen Osten wurden und werden bis heute in Hamburg ausgeliefert. Für den Luftfahrtstandort Hamburg war das ein enormer Prestigegewinn. „Die A380 war von Anfang an ein großartiges Flugzeug, das an den physischen Grenzen seiner Zeit gebaut wurde“, sagt der ehemalige Konzernchef Hartmut Mehdorn: „Wir haben mit diesem Flugzeug Entwicklungsgeschichte geschrieben.“

Schauplatz Toulouse. 14. Februar 2019. Nur 14 Jahre nach dem Erstflug verkündete Airbus in einer angesichts der Tragweite des Inhalts lapidaren Pressemitteilung noch vor der Jahres-Pressekonferenz das Ende des Programms A380. Die Entscheidung vom Ende der A380 war längst erwartet worden, denn die arabische Fluglinie Emirates hatte schon Wochen vorher angekündigt, ihre Bestellungen von 162 auf 123 Flieger zu reduzieren – stattdessen orderte Emirates als größter A380-Kunde lieber den A350-Flieger von Airbus. Auch die australische Fluggesellschaft Qantas Airways hatte zuvor die Bestellung von acht A380-Passagierjets zurückgezogen. Damit war das Ende des Großfliegers praktisch besiegelt. Die Entscheidung sei schmerzhaft, man habe viel Mühe, Geld und Schweiß in den weltweit größten Passagierjet gesteckt, sagte der damalige Konzernchef Tom Enders. „Aber im Geschäft dürfen wir unsere Entscheidung nicht auf Basis von Gefühlen oder Wünschen treffen, sondern basierend auf Fakten.“

Die Fakten bestätigten letztlich die strategischen Fehleinschätzungen der Airbus-Führung, die Mitte der neunziger Jahre geradezu beseelt war, mit einem völlig neuen Großflieger den Weltmarkt zu dominieren und dem Konkurrenten Boeing wirklich Konkurrenz zu machen. Mit einem A380 als Konkurrenten zur Boeing 747, dem damals erfolgreichen Großflieger der Amerikaner. Rund 20 Milliarden Euro wurden investiert, viel Geld auch aus der deutschen Staatskasse. Ein Großproblem waren von Anfang an die Triebwerke, die die Erwartungen an die Effizienz nie hielten und zudem gab es schwerwiegende handwerkliche Fehler beim Bau, weil die europäischen Partner unterschiedliche Software verwendeten, was am Ende dazu führte, dass hunderte Kilometer Kabel nicht passten. Zwei Jahre Verzögerung bei der Auslieferung waren die Folge.

„Die heutige Ankündigung ist schmerzlich für uns und für die A380-Communities weltweit“, sagte Tom Enders später an diesem 14. Februar 2019 bei seiner Pressekonferenz in Toulouse. „Das ist das Ende des Programms, aber nicht das Ende des Produkts, der Airbus A380 wird noch lange vielen Passagieren große Freude machen.“ Airbus hatte schon damals die Jahresproduktion von zeitweise bis zu 30 Maschinen auf nur noch sechs Flieger im Jahr zurückgefahren. Weltweit hingen nach Airbus-Angaben noch 3500 Arbeitsplätze an dem Großflieger, einstmals waren es 50 000 Arbeitsplätze. Viele deutsche Luftfahrt-Standorte wurden wegen des A380-Fliegers enorm aufgerüstet, darunter Stade, Nordenham, Bremen, Augsburg, Buxtehude, Varel und Finkenwerder. Bauteile wurden bis zuletzt vor allem in Hamburg, Bremen und Stade gefertigt. Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht war der Verlust für die Beschäftigten nicht schmerzlich: Die deutsche Konzernführung und die IG Metall waren sich schnell einig, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden können, weil Airbus in den anderen Flugzeug-Programmen zusätzliche Arbeitskräfte benötigte. Von der Stammbelegschaft verlor niemand seinen Arbeitsplatz.

Zum Hintergrund: Der doppelstöckige Passagierjet hatte Airbus schon Mitte der 2010er Jahre große Sorgen bereitet. Vielen Airlines war der Flieger zu groß und verbrauchte zu viel Treibstoff. Die A380 mit bis zu 850 Sitzen wurde als ein Flieger konzipiert, der vornehmlich zwischen den internationalen Drehkreuzen verkehren soll. Bei der Konzeption wurde davon ausgegangen, dass die Flughafenkapazitäten begrenzt sind, bei einer gleichzeitigen Verdoppelung des Luftverkehrs alle 15 Jahre. Das traf zwar weiterhin zu (vor der Corona-Pandemie), allerdings hat sich der Luftverkehr anders entwickelt: Der Langstreckenbereich wächst weltweit mit direkten Verbindungen von großen in mittelgroße ­Städte, gleichzeitig hat sich der Markt für Zubringerflüge verändert: Die werden mittlerweile mit Jets bis zu 200 Sitzen geflogen, zu einem Großteil aus der A320-Flotte von Airbus. Mit der im nächsten Jahr zum Erstflug startenden A321XLR wird Airbus aus der A320-Familie einen veritablen Langstreckenflieger auf den Markt bringen.

Völlig verkalkuliert hatten sich die Airbus-Strategen zudem mit dem Markt in China. Da wurden zwar die größten Wachstumsraten – wie erwartet – verzeichnet, aber letztlich ohne den Großflieger. Airbus verkaufte in China nur fünf A380. Über die Gründe sind sich die Analysten nie ganz einig geworden. Dass es aber großen politischen Druck der US-Regierung gegeben habe, ist eine Vermutung, die nie widerlegt werden konnte.
Weil Mitte der 2010er Jahre auch der Ölpreis gefallen war, kam die A380 immer mehr ins Hintertreffen. Airbus selbst hat mit der A350 einen Langstreckenflieger auf den Markt gebracht, der einen wesentlichen Vorteil der A380 kompensierte: Die Kosten pro Passagier waren kein Argument mehr für die A380.  Übrigens: Auch US-Konkurrent Boeing hatte die Produktion der ebenfalls vierstrahligen Boeing 747 schon 2017 eingestellt und mit dem Dreamliner als Konkurrent zu der A350 ein ebenfalls viel wirtschaftlicheres Modell im Angebot. „Mit der A350 hat sich Airbus das Wasser selbst abgegraben“, sagt Hartmut Mehdorn in der Rückschau.

Letztlich ist die Rechnung von Airbus nur bei einem Großkunden aufgegangen: Emirates, die Airline aus Dubai, ist mit 123 Fliegern der weitaus größte Kunde, gefolgt von Singapore Airlines mit 24 und der Lufthansa mit 14 A380-Fliegern.
Von den ursprünglich geplanten 700 Fliegern konnten nur 251 verkauft werden. Emirates-Chef Tim Clark schwört nach wie vor auf den A380, die letzten ausgelieferten Flieger wurden allesamt noch einmal gestylt, mit einer neuen Business Class, neuen Duschen, Bars und hellen Kabinen-Farben ausgerüstet. „Wir haben ein Ritz-Charlton gebaut“, schwärmt der Emirates-Chef, der die A380 auch von den deutschen Airports München, Frankfurt, Düsseldorf und Hamburg zu den großen Drehkreuzen der Welt fliegen lässt. Bis zum Jahr 2035. So ist es geplant.
Für die Airbus-Beschäftigten im Norden ist der Airbus A380 mit der Auslieferung der MSN272 im Dezember 2021 an Emirates Geschichte. Wegen der Corona-Pandemie musste die geplante Abschiedsfeier in Finkenwerder abgesagt werden. Irgendwie passte das zu diesem nie vollendeten Traum der Luftfahrt.