Heute beschäftigt sich der deutsche Journalist Wolfgang Stephan in einem Gastbeitrag mit einem Rekordgewinn bei Airbus aber auch mit diversen Problemen.
Ein Rekordgewinn, volle Auftragsbücher und dennoch keine geteilte Freude bei der Airbus-Jahrespressekonferenz in Toulouse. Der angestrebte Hochlauf – 75 Flieger für die A320-Mittelstreckenjets wird um ein Jahr nach hinten verschoben. Das Problem liegt in der Produktion. Eine Ursache hat das Management selbst verschuldet hat. Händeringend werden Arbeitskräfte gesucht, 1.000 auch in diesem Jahr im Norden.
Fakt ist: Die angestrebten Auslieferungsziele hat Airbus schon im vergangenen Jahr verfehlt. Statt 720 wurden nur 661 Flugzeuge ausgeliefert. Die Rekordrate von monatlich 75 Jets aus der A320-Serie soll erst 2026 erreicht werden und damit ein Jahr später als ursprünglich geplant. „Wir passen unsere Produktion den Lieferkapazitäten an“, sagte Konzernchef Guillaume Faury am Donnerstag bei der Präsentation der Jahresbilanz 2022 in Toulouse. Der nach hinten verschobene Hochlauf hat auch kurzfristige Auswirkungen, die schon für dieses Jahr geplante Produktionsrate von 65 Fliegern im Monat könne erst Ende 2024 erreicht werden. Für dieses Jahr sind im zivilen Bereich 720 Auslieferungen angestrebt, so viele wie 2022. „Unsere Ziele sind jetzt realistischer, bescheidener“, sagte Fury.
Die Probleme beim Hochlauf in der Produktion sieht der Manager einerseits immer noch in den stockenden Lieferketten, aber vorwiegend im Fachkräftemangel.
Weltweit sucht Airbus neue Leute. Nachdem es im vergangenen Jahr in den Nordwerken bereits 1.000 Neueinstellungen gab, wird es auch 2023 weitere Einstellungen in großer Zahl geben. Die Zahl 1.000 sei realistisch, kündigte ein Airbus-Sprecher nach der Pressekonferenz an. „Viele Leute sind während der Pandemie gegangen. Wir müssen neue Leute einstellen“ sagte Faury.
Airbus leidet damit unter den selbst verursachten Problemen, denn trotz der Warnungen der Arbeitnehmervertreter wurden während der Pandemie bis zu 3.000 Arbeitsplätze alleine in den deutschen Werken abgebaut und den Beschäftigten hohe Anreize für einen freiwilligen Ausstieg geboten. Für Faury bedeutet das in der Konsequenz: „Die neuen Leute bringen nicht unbedingt die Kompetenzen mit, also müssen wir sie ausbilden.“
Der Fachkräftemangel betrifft auch die Zulieferer, die während der Pandemie Personal entlassen haben, das nun fehlt. Für Faury „ein widriges Geschäftsumfeld, das verhindert, dass sich die Lieferkette so schnell erholt, wie wir es erwartet haben“.
Der Airbus-Chef hatte gestern aber auch gute Nachrichten: Trotz der bekannten Probleme wurde der Umsatz um 13 Prozent von 52 auf 58,8 Milliarden Euro gesteigert. 2022 hat Airbus den operativen Gewinn von 4,9 auf 5,6 Milliarden Euro gesteigert. Damit wurden die Ziele des Managements übertroffen, die Airbus-Aktie stieg. Das Geld verdiente der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern vor allem mit dem zivilen Flugzeugbau, während es bei Verteidigung und Raumfahrt einen Einbruch gab.
Auch eine gute Nachricht für die Flugzeugbauer im Norden: Die Nachfrage bei den Langstreckenflugzeugen, die während der Pandemie eingebrochen war, zieht wieder an. Deswegen will der Konzern die monatliche A330-Produktionsrate von drei auf vier Flieger bis 2024 steigern. Die monatliche A350-Produktionsrate soll von jetzt sechs auf neun Flieger bis Ende 2025 steigen. An den A330- und A350-Flugzeugen sind die Nordwerke bei den Flügel- und Rumpfsegmenten, sowie mit den Seitenleitwerken aus Stade beteiligt.
Dass die Mienen der Airbus-Manager gestern in Toulouse durchweg freundliche Züge hatten, lag auch an dem am Dienstag bekannt gewordenen Auftrag der indischen Airline Air India, mit der eine Absichtserklärung über den Kauf von 210 Maschinen aus der Mittelstrecken-Jet-Familie A320neo sowie über 40 Großraumflieger vom Typ A350 abgeschlossen wurde. Es ist einer der größten Aufträge, die Airbus jemals bekommen hat.
Und noch etwas zum Schluss: Für die Zukunft steht ein großes Klimaziel an: So verpflichtet sich Airbus, die CO₂-Emissionen, die in Produktion und Verwaltung anfallen, bis 2030 um 63 Prozent zu senken. Das Unternehmen hat sich außerdem verpflichtet, die Intensität der Treibhausgas-Emissionen seiner in Betrieb befindlichen Verkehrsflugzeuge bis 2035 um 46 Prozent zu reduzieren.