Der bekannte deutsche Sport- und Luftfahrtjournalist Wolfgang Stephan berichtet in einem weiteren Gastbeitrag in Expat Aktuell über das Fliegen der Zukunft.
Das Fliegen neu erfinden – das ist die Mission der Luftfahrtbranche, die schon 2035 einen Jet mit Wasserstoffantrieb im Liniendienst in der Luft haben will, um die Klimaziele zu erreichen. Klimaneutrales Fliegen soll bis 2050 realisiert werden und Hamburg will europaweit die Vorreiterrolle bei der Forschung und Entwicklung der neuen Flieger haben.
„Hamburg ist Vorreiter bei der nachhaltigen Luftfahrt“, sagte Francine Schulz bei einer Veranstaltung des Luftfahrt-Presse-Clubs in Hamburg. Die Managerin von Hamburg Aviation, einem Zusammenschluss aller bedeutenden Luftfahrtunternehmen und Institutionen in der Metropolregien, geht davon aus, dass erste Erfolge schon ab 2026 zu sehen sind: Beispielsweise werde mit holländischen Partnern derzeit an der Machbarkeit einer Flugroute für mit Wasserstoff angetriebene kleine Flugzeuge zwischen Hamburg und Rotterdam geforscht. „Im Rahmen der Zusammenarbeit wird 2026 als mögliches Datum eines ersten Wasserstoffflugs angenommen“. Die Beteiligten gehen davon aus, dass es in der Zukunft kommerzielle Flüge zwischen den Städten Hamburg und Rotterdam geben werde, sagte die Managerin.
Im vom Hamburger Senat größtenteils finanzierten Zentrum für angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) in Finkenwerder wird an den künftigen Antriebstechniken geforscht: „Im ZAL soll das Flugzeug der Zukunft entwickelt werden“, sagt Holger Kuhn. Erste Drohnen mit einer Brennstoffzellentechnik sind bereits in der Luft, bemannte Flieger mit bis zu sechs Passagieren sollen kurzfristig erprobt werden.
An zwei Antriebstechniken wird geforscht: Das klassische Triebwerk mit Wasserstoffantrieb oder die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle, die elektrischen Strom generiert, der einen Elektromotor und damit einen Propeller antreibt.
Das ZAL ist das technologische Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk der zivilen Luftfahrtindustrie in der Metropolregion Hamburg. Ausgestattet mit hochwertiger Forschungs- und Testinfrastruktur bietet das ZAL in Finkenwerder auf knapp 26.000 Quadratmetern Nutzfläche 600 Arbeitsplätze für insgesamt 35 Firmen verteilt auf Büroflächen, Labore und Hallen. Eine Erweiterung ist im Bau. „Die Vision vom emissionsfreien Fliegen wird in Hamburg ein Stück weiter Realität“, sagte Kuhn.
Mittelfristig ist das Ziel klar fixiert: Airbus will unter dem Projektnamen ZEROe ein wasserstoffbetriebenes Verkehrsflugzeug entwickeln und bis 2035 auf den Markt bringen. Zu den Technologien, die in den Forschungseinrichtungen und bei Airbus entwickelt werden, gehört ein Flugzeugtriebwerk auf der Brennstoffzellenbasis, das mit flüssigem Wasserstoff betrieben wird. Das Triebwerk soll die für den Antrieb eines Passagierflugzeugs erforderliche Leistung liefern – ganz ohne Kohlendioxidemissionen. Dabei nutzt das Unternehmen auch die Infrastruktur und Möglichkeiten des ZAL und von Hamburg Aviation.
Wie das Flugzeug der Zukunft aussehen wird, ist noch nicht ganz klar: Die bei Airbus bisher bekannten Varianten sehen einerseits wie klassische Verkehrsflugzeuge aus, nur mit längeren, flexibleren Tragflächen, es gibt aber auch ganz futuristische Konzepte.
Bei der Klimaschutz-Strategie spielen die Flughäfen eine große Rolle: Unter dem Dach des Airports Council International Europe (ACI) haben sich die europäischen Flughäfen darauf verständigt, ihre fossilen Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2050 auf null zu reduzieren.
Hamburg Airport will dabei eine Vorreiterrolle einnehmen, sagt Jan-Eike Blohme-Hardegen, der Klimaschutz-Manager des Flughafens. Schon seit 2021 wirtschafte der Flughafen CO2-neutral. „Wir gehen jetzt mit unserem Projekt Net Zero einen Schritt weiter“, sagt der Manager. Im Unterschied zur CO2-Neutralität, bei der ein verbliebener Rest an Emissionen noch durch Ausgleichszertifikate kompensiert werde, bedeute Net Zero: Beim Betrieb der Flughafengebäude, -anlagen und -fahrzeuge werde der fossile CO2-Ausstoß durch technische Umstellungen und Energie-Einsparungen schrittweise auf null reduziert. „Wir wollen dieses Ziel bis 2035 als erster großer Flughafen in Deutschland erreichen und damit unsere Vorreiterrolle im Klimaschutz unterstreichen.“ Rund 250 Millionen Euro wird der Hamburger Flughafen in das Klimaschutzprojekt „Net Zero 2035“ investieren, alleine rund 70 Millionen Euro werden für den Bau eines flughafeneigenen Windparks bei Kaltenkirchen investiert.
Für die Hoffnung von lärmgeplagten Anwohnern an Flughäfen gab es bei der Presseclub-Veranstaltung von den Experten keine Zuversicht: Die Flieger der Zukunft werden nur unwesentlich leiser sein.
Photo-Credit: Reinhard und Animation Airbus