Heute lesen Sie Teil 4 und 5 der Kolumne des deutschen Journalisten Wolfgang Stephan – über vieles was in Qatar am Rande der Fußball WM passiert
Teil 4 – Es gibt kein Bier in Katar…
Auch Wasser wird zum edlen Tropfen, mischt man es mit Malz und Hopfen. Schön wäre es, Wasser gibt es genug in Katar, aber kein Bier. Jedenfalls nicht in gewohnter Form für uns Deutsche und vor allem Engländer, die eine bittere Nachricht hinnehmen mussten: In den WM-Stadien ist Alkohol verboten, obwohl das bisher anders zwischen der FIFA und dem Emirat vereinbart war. Doch am Freitag musste sich die FIFA dem Druck der Kataris beugen und die Bierstände an den Stadien abbauen. Bier gibt es für die Fans nur beim FIFA-Fanfest.
Schön, es gibt Wichtigeres in der Welt als das fehlende Bier in Katar, obwohl das sogar von DFB-Direktor Oliver Bierhoff (sein Name hat nichts mit dem Getränk zu tun) in der Pressekonferenz zum Thema gemacht wurde. Das kurzfristige Bierverbot sei ein Beweis mehr für das unglückliche Agieren der FIFA. Zehn Jahre hatten die Zeit sich vorzubereiten und zwei Tage vor WM-Beginn kommt das Verbot. Also auch für uns Journalisten kein Bier. Wo ist das Problem?
Gut, wir könnten ja mal am Abend zum Fanfest gehen. Nur so, aus reinem journalistischem Interesse. Tilmann Mehl, mein WG-Partner in unserer kleinen Bude in Doha war sofort dabei.
Also auf zum Festival am Meer. Schon der erste Eindruck ließ nichts Gutes ahnen. Dass es da Spaß und Bier gibt, hatte sich herumgesprochen. Massenandrang! Aber wir hatten ja eine Medien-Akkreditierung. Bis zur letzten Sperre gab es keine Hürde, doch dann waren die Schotten dicht. Wegen Überfüllung geschlossen. Wir sollten warten. Wie lange? Keiner konnte das sagen. Ein Blick, Einigkeit. Wir brauchen keinen Alkohol. Wir nicht.
Auch nicht beim Essen in der West Bay, einem schmucken Hotelviertel in Doha. Gute Thai-Küche, Tilmann erfreute sich an einer Cola (seinem Lieblingsgetränk), ich an Wasser zu den Singapore Noodels, die wunderbar mundeten. War bestimmt gut, dass die Schärfe nicht durch Alkohol beeinträchtigt wurde. (Was man sich so alles einredet).
Ob das jetzt eine Fügung Allahs war oder irgendein anderer uns auf den richtigen Weg gebracht hatte, blieb offen. Jedenfalls führte unser Nachhause-Turn irgendwie am Marriott-Hotel vorbei. Sports-Bar, stand da unter anderem auf einem Hinweisschild. Ein Blick, Einigkeit. Fußball schauen, ist immer gut für Journalisten.
Schwupps saßen wir mit Hilfe der Medien-Akkreditierung (sonst dürfen da nur Hotelgäste rein) vor einem der gefühlt hundert TV-Bildschirmen inmitten vieler fröhlicher Menschen. Endspiel der WM in Russland. Frankreich-Kroatien. Interessierte keine Sau. Uns schon. Warum sind wir sonst hier gelandet?
Das Spiel haben wir nur bis zur Halbzeit gesehen. Dann bezahlt. Interessant: Tilmanns Bier war drei Euro teurer als mein Gin-Tonic für 17 Euro.
Teil 5 – Leere Reihen
„Doha ist bereit, Katar ist bereit, natürlich wird es die beste WM aller Zeiten“, sagte FIFA-Präsident Gianni Infantino vor dem Turnier-Start am Sonntag. Wenn er sich da mal nicht täuschen wird. Weil wir alle hier dem Fußball entgegenfieberten, war die Tour zum WM-Auftakt ins Al-Bayt-Stadion nahezu ein Pflichtprogramm. Weil dieses Eröffnungsspiel ungemein wichtig ist für die Stimmung im Land. Kann die Nationalmannschaft das Land in Aufregung versetzen oder alle Befürchtungen der Europäer bestätigen?
Warum die FIFA das Eröffnungsspiel in das gut eine Stunde von Doha entfernte Stadion in der Küstenstadt Al-Chaur verlegt hat, bleibt ein FIFA-Geheimnis. Die Auto- und Buskarawane durch die Wüste war lang. Das Stadion ist im Stil eines Beduinenzeltes gebaut und fasste zu Beginn 67 000 Zuschauer. Die geschätzt viertausend Fans aus Ecuador machten vor dem Anpfiff Stimmung, die katarischen Fans waren in ihrem „Thawb“, dem weißen Gewand gut zu identifizieren, was für den Abend noch wichtig werden sollte.
Die Eröffnungsfeier war erwartet pompös, stimmungsvoll und dem Ereignis angemessen. Rein objektiv betrachtet. Dass keine Frauen im Programm waren, sei angemerkt. In Katar tritt die Männerwelt Arabiens auf die Männerwelt der FIFA.
Stimmung machten schon vor dem Anpfiff die Ecuadorianer und eine offenbar bestellte katarische Fangruppe, die bis zum Schluss unermüdlich trommelte.
Der Spielfilm blieb ohne Spannung, Katar offenbarte nicht mal Zweitliga-Format und mit dem 2:0 der Südamerikaner nach 31 Minuten war das Spiel früh entschieden.
Was danach geschah, tat mir als Fußballfan in der Seele weh. Schon lange vor der Pause leerten sich die ersten Reihen der weißgekleideten Herren. Das war zunächst nur irritierend.
Nach der Pause war es deprimierend, denn Katars Nationalmannschaft spielte das Al-Bayt-Stadion leer. Ernüchterung statt Fußball-Fieber im Emirat.
Am Ende war es ein für die Gastgeber peinliches WM-Eröffnungsspiel in einer nur doch deprimierenden Kulisse ohne jedes WM-Feeling. Es war der letzte Beweis, dass es falsch war, dieses Turnier nach Katar zu geben.
Der einzige Trost in der Nacht: Gianni Infantino musste diese Blamage auf seinem Ehrenplatz neben dem Emir hautnah miterleben. Eigentlich ist mir Schadenfreude fremd. Diesmal nicht. Jeder flüchtende Zuschauer war ein Schlag ins Kontor seines Größenwahns.