Ein Thema, zu dem immer wieder Fragen gestellt werden, ist das In Country Value-Programm, das von der Abu Dhabi National Oil Company ins Leben gerufen wurde.
Rechtsanwältin Luisa Rödemer von der Kanzlei Rödl & Partner Dubai hat sich deshalb für Sie heute in einem Artikel mit diesem Thema beschäftigt.
Die Kanzlei Rödl & Partner Dubai hat ein Office, das sehr zentral am Bay Square in Dubai gelegen ist. Sie bietet den Mandanten Dienstleistungen auf dem Gebiet der Rechts- und Wirtschaftsberatung auf höchstem Niveau
Die Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) hat im November 2017 ihr eigenes Lokalisierungs-Programm ins Leben gerufen (In Country Value oder kurz ICV), das am 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist. Das Ziel dieses Programms ist es, einheimische Lieferanten zu lokalisieren, Arbeitskräfte insbesondere im privaten Sektor zu fördern (Emiratisierung) und das Zusammenspiel in der Öl- und Gasindustrie zu verbessern.
Der ICV ist eine Art „Beschaffungskriterium“, das ADNOC für die Auswahl seiner Zulieferer heranzieht, um die so genannten Locals – also Emiratis – hinsichtlich der Auftragsvergabe zu fördern.
Seit dem 1. April 2018 müssen alle Lieferanten, die Waren oder Dienstleistungen an ADNOC vertreiben, ihren ICV-Wert kalkulieren und diesen für das kommende Wirtschaftsjahr angeben, um zu zeigen, wie sie unternehmensintern aufgestellt sind. Der ICV-Wert wird von ADNOC auf einer jährlichen Basis zertifiziert und muss von jedem ADNOC-Zulieferer mit jedem Angebot miteingereicht werden. Dabei berücksichtigt der ICV-Wert insbesondere den Standort des Unternehmens, die Anzahl lokaler emiratischer Mitarbeiter sowie die Beteiligungshöhe inländischer Investoren.
Die Einführung des ICV-Kriteriums folgt einem generellen Lokalisierungstrend in der Region, insbesondere in der Öl- und Gasindustrie. Saudi Arabien und der Oman waren in diesem Sinne durch die Implementierung des Aramco IKTVA (The In-Kingdom Total Value Add-Program) beziehungsweise des Petroleum Development Oman’s ICV Vorreiter für die ICV-Einführung in den VAE.
Für die betroffenen Zulieferer von ADNOC hat dies folgende Auswirkungen:
- Abgabe einer Selbsteinschätzung des jeweiligen Lieferanten anhand einer von ADNOC vorgegebenen Excel-Tabelle
- Zertifikation dieser Selbsteinschätzung durch einen anerkannten ADNOC Mitarbeiter
- Erstellung eines so genannten ICV-Improvement Plan, um den zertifizierten ICV-Wert zu verbessern, sofern eine Lieferung an ANDOC direkt erfolgen soll
Der IVC-Wert wird dann während des Bewerbungsprozesses auf eine ADNOC Ausschreibung relevant. Bewerber, die die technische Auswahl absolviert haben, werden nach den Kriterien des „besten Preises“ und des „besten ICV-Wertes“ gerankt. Der Anbieter, der den besten ICV-Wert aufweist, wird aufgefordert, seinen besten Preis abzugeben. Sollte dieser nicht in der Lage sein, das günstigste Angebot zu unterbreiten, wird der Bewerber mit dem zweitbesten ICV-Wert aufgefordert, seinen besten Preis abzugeben. Nach diesem Procedere wird dann fortgefahren, bis der Lieferant gefunden ist, der im Verhältnis neben dem besten ICV-Wert auch den besten Preis anbieten kann.
Nach Vertragsabschluss wird ADNOC den erfolgreichen Bewerber auffordern, den sogenannten ICV-Improvement Plan vorzulegen. Dieser soll zeigen, wie der Zulieferer auch zukünftig versuchen wird, seinen ICV-Wert weiter zu verbessern. Der Plan wird Vertragsbestandteil. Dabei enthält der Vertrag zwischen ADNOC und dem Lieferanten eine Klausel, die ADNOC berechtigt, diesen aufzulösen, sofern der ICV-Improvement Plan von dem erfolgreichen Bewerber nicht eingehalten wird.
Darüber hinaus besteht ein Sicherheitssystem in Form eines ICV Milestone Payment Mechanism, um die Einhaltung des ICV-Improvement Plan zu gewährleisten. Im Rahmen dieses Vorgehens werden die progressiven Zahlungen erst freigegeben, wenn der Lieferant seine jährlichen ICV-Ziele erreicht hat.
Das gesamte Procedere führt dazu, dass solche Unternehmen, die an einer Zusammenarbeit mit ADNOC interessiert sind, eine ständige Vertretung in Abu Dhabi, dem Sitz von ADNOC, anstreben sollten, um so nah wie möglich vor Ort zu sein. Das Agieren in Abu Dhabi kann durch einen Handelsvertreter erfolgen, durch Gründung einer Branch oder einer LLC (Limited Liability Company) mit einem zu 51 % beteiligten emiratischen Gesellschafter.
Letztendlich müssen ausländische Investoren, die eine Zusammenarbeit mit ADNOC planen, berücksichtigen, dass sie die ICV-Zertifizierung durchlaufen müssen; unabhängig davon ob sie mit ADNOC direkt oder indirekt über einen Handelsvertreter handeln. Zulieferer, die nur indirekt mit ADNOC agieren, müssen hingegen keinen ICV-Improvement Plan aufstellen.
Sollten Sie zu diesem Thema Fragen haben oder die Unterstützung der Kanzlei Rödl & Partner bei einem rechtlichen Problem benötigen, können Sie das deutschsprachige Team jederzeit telefonisch unter +971 4 295 00 20 kontaktieren oder schreiben Sie ein Mail an luisa.roedemer@roedl.com.