Heute verabschiedet sich Pfarrer Johannes Matthias Roth von den Lesern von Expat Aktuell.

Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit für den Rückblick und Ausblick des „OasenZeit-Pastors“, der nach fast drei Jahren Dubai verlässt und nun diese intensive Zeit kurz Revue passieren lässt.

Als wäre es gestern gewesen. Es ist Anfang Oktober 2020, die Pandemie beherrscht das öffentliche Leben. Ich war kaum aus München kommend in Dubai gelandet – ausgesandt von der EKD (Evangelische Kirche Deutschland) zum Dienst befristet für drei Jahre in der Evangelischen Gemeinde deutscher Sprache in den VAE, stand ich – auf Anfrage von Uschi Mahl hin – mit genialen Musikentertainern auf einer der Oktoberfest-Bühnen Dubais und sang aus Leibeskräften u.a. meinen Mutmach-Schlager: „Alles gut! Komm, wir feiern unser Leben. Alles gut, sind die Wellen auch meterhoch, dann brauchst du allen Mut der Welt und Deine Liebe, die dann zählt, und am Ende, glaub daran wird alles gut.“

Und ja, einfach nur singen! Das tat gut in einer Zeit des Covid-Testmarathons, des weltweiten Impfaktivismus und des social distancing. Und ja, die Wellen der Corona-Einschränkungen waren für mich, für uns als Gemeinde mehr als meterhoch. Weitere neue Visa-Bestimmungen nahmen mir die Möglichkeit auch in Abu Dhabi wie bisher als VAE-Pfarrer tätig zu sein, hatte ich doch schon vor über zehn Jahren dort Gottesdienst gehalten.  Hinzu kamen zahlreiche Wegzüge von Expat-Familien, eine Flut an neuen Eindrücken und Anforderungen, Notsignalen und Hilferufen, schleppende Erteilung meines Arbeitsvisums unter der Flagge der Anglikanischen Kirche, teils gut meinte Ideen („tu dies, tu das“) in der neuen bizarren „1001-Nacht-Welt“; von unseriösen Kritikattacken etlicher Zaungäste und Ewigklugen ganz zu schweigen.

Dennoch habe ich in den fast drei Jahren  – ich zähle sie zu den spannendsten meines Lebens – mit unglaublich vielen Weggefährten unser Gemeindeleben und  das vieler Expat-Familien gefeiert. Mit viel Mut eines „Abenteuer-Segenslandes“ und einer großen Packung „love & passion“ für eine innovative Gemeindearbeit haben wir nun das Wüstenschiff mit Gottes Hilfe und dem besonderen „Drive“ von insgesamt dreißig Konfirmationsfamilien für einige weitere Jahre gesteuert.

Intensives Gemeinde- und Seelsorge-Networking, das einen Großteil meines Pfarrdienstes für die kommende Zeit zwischen Wüste und Millionenmetropole ausmachen sollte, immer persönlich zugeschnittenes Tauf- und Hochzeitsmanagement, Events in der Kirche, in Privathäusern und  auf Spielplätzen, kunterbunte Kinder- und Familienaktivitäten, Diplomaten- und AHK-Treffen, 24/7- Telefonseelsorge für Menschen in Not bis hin zu Gefängnisbesuchen und sozialer Langzeitbetreuung.

Schnellstmöglich versuchte ich als ehemaliger langjähriger Schulpfarrer mich zum Teil in die Lebenswelt vieler Expat-Familien einzufühlen, die mir als Afrika-Charity-Mensch zunächst mehr als befremdlich erschien. Aber ich erlebte doch auch persönliche unvergessliche Glücksmomente bei meinen beinahe zwanzig Afrika- und Asienreisen.

Mit bettelarmen Kindern und Familien gemeinsam singen, sie beschenken, mit ihnen essen und trinken, einfach mit den Ärmsten Glauben und Leben teilen und versuchen für eben diese Familien Sponsoren zu finden.

So stand der gemeinsam erlebte „Zanzibar-Arbeits-Impact“ im  Juni 2021 von engagierten Dubaier Familien buchstäblich Pate für unser nun vor wenigen Wochen wahr gewordenes Kenia-Projekt: Mit Gemeindegliedern über den Tellerrand sehen, unsere Patenkinder südlich von Mombasa in die Arme schließen, ihre teils so widrigen Lebensumstände mit den eigenen Dubaier Kindern kennenlernen, mit ihnen ein Stück Leben teilen, Verantwortung übernehmen.

Bei unvergesslichen „Wüstenoasenzeiten“ hat es sich punktuell oft erfüllt, was ich schon zuvor als Lied komponierte: „Die Wüste lebt, alles lacht, alles tanzt, alles singt und das Leben blüht, Hoffnung keimt und ein neues Lied erklingt, Leben ist uns neu gegeben, alles Dunkel ist besiegt, glaub an Wunder und die Wüste lebt …“

Dort draußen vor der Stadt, angeführt durch treue Wüstenscouts, tankte ich mit vielen Familien aus dem so schnellen, ruhelosen Stadtleben auf: Stille, Feuer, Besinnung, Liedimpulse mitten in der weiten, kargen Wüstenlandschaft; all das stand in bester Tradition zu den vorigen Events der beiden Vorgängerpfarrer Jens und Moritz.

Ja, die Stille, die Wüste, das Atemholen, das brauchen wir hier ganz besonders: „Rast für die Seele, Zeit für mein Herz, den Augenblick erleben, Gebete himmelwärts; Gott neu begegnen in Stille, ganz bei mir; ein Licht auf meinen Wegen: Eine Auszeit jetzt und hier.“  Dieses neu komponierte Lied ist mittlerweile  deutschlandweit in allen Autobahnkirchen zu hören.

Ganz im Sinne unseres 2023er Jahresmottos „#Segen tanken“ erfreute sich  auch meine „OasenZeit“, ein dreiminütiger Andachtspodcast großer Beliebtheit. Kurz, ansprechend und nachdenklich Aktuelles, Berührendes ins Wochenende hineinsprechen, dass sich der Socialmedia – Mensch an die Oase eines Sonntags, eines Rückzugsortes, eines Gottesdienstes, einer Mediation neu bewusst wird. Dass von Familien, Geschäftsleuten, Rockern, ja bis aus Europa dann beinahe ungeduldige Anfragen kamen: Johannes, wo bleibt denn die Oasenzeit?“ zeigte wie sehr diese Impulse von meiner Sonntagsinsel Menschen tatsächlich berührten. 

Highlight meiner Dubai-Zeit waren aber zweifellos die fünfmal nacheinander stattfindende „Dhow-Weihnacht“ am 24.Dezember 2020: Mit einem genialen Team beinahe neun Stunden singen, moderieren, beten und Gemeindegliedern wie Touristen den Heiligen Abend unvergesslich werden lassen, aber auch das legendäre Osterfeuer, familiäre Hausgottesdienste oder kunterbunte Konfirmandenkurse, die mich immer wieder faszinierten und mich motivierten von Teenagern, von Jugendlichen zu lernen.

Sehr spannend war auch die Expo2020 – Zeit, die Fußball – WM im GCC-Raum in Katar und die emiratische Marsmission in der Zeit von zahllosen Annäherungsimpulsen von VAE und Israel und dabei unvergessen auch das Israelische Staatsorchester in Abu Dhabi im Emirates Palace.  

Damit erlebte ich in der Region der Superlative viele epochale Ereignisse hautnah.

Als diplomatisch-politischen Höhepunkt kann man zweifellos das Gespräch mit dem VAE – Botschafter  HE Ahmed Al Attar aus Berlin bezeichnen. Nach unserem Interview in der Al Qudra-Wüste wobei der Botschafter mit mir ein Video drehte, fragte er mich (ich fuhr gerade nach dem Neujahrsempfang der Gemeinde durch das Januar-Hochwasser auf Dubais Straßen) wo wir denn unsere eigene Kirche mit der Zusage der VAE nun bauen wollen. Sehen Sie das Video unter

 https://www.youtube.com/watch?v=NZ1sfUbRf2g

So folgten viele kleine Schritte der Verständigung, der Klärung, der gegenseitigen Annäherung zwischen EKD und dem Botschafter. Nun bin ich mit allen Expats aus dem deutschsprachigen Raum sehr neugierig, wie aus dieser Initiative ein reales Gemeindezentrum wird.

Vieles wäre noch zu erzählen, für vieles möchte ich danken. Von Kindern, Jugendlichen und  Mitarbeitenden lernte ich ebenso viel, wie diese von so manchen theologischen Impulsen oder Glaubensliedern von meiner Seite.
Ich danke einem engagierten Kirchenvorstand, der langjährigen Kirchenvorsteherin und so engagierten Gemeindeassistentin Caroline Krapf, die nun auch die VAE verlässt, unserem Schatzmeister Uwe Hohmann für die so engagierte Tätigkeit. Danke auch an Sven von Baker’s Kitchen, in dessen Bäckerei ich mich im „Meet and greet- Seelsorgebüro“ zuhause fühlte, an Kamel-Uschi mit unzähligen Events, Danke für alle wertvollen Begegnungen in der City, unterwegs und  in der Wüste.

Vieles durfte ich, was die Vorgänger begannen, weiterführen, vieles neu starten, manches wurde unmöglich, sicherlich auch manche Chance vertan.

Ich wünsche Ihnen viel Mut und Zuversicht für alle kommenden Wege: Denen, die zeitgleich mit mir die Gemeinde und die VAE verlassen, wünsche ich gutes Ankommen und Einleben in neuen Lebenswelten. 

Den Expat-Familien hier, meiner Gemeinde, besonders Jan Rohde, dem 1. Vorsitzenden, mit dem gesamten Kirchenvorstand wünsche ich auch weiterhin viel Kreativität und eine große Schar an engagierten Familien und Businessleuten, ohne die es in Sachen Gemeindeleben und Finanzen wohl sehr schwierig werden wird.

Uschi Mahl wünsche ich ebenso alles Gute für Ihr so wertvolles Online-Magazin Expat Aktuell,  das Neuankömmlingen wie Langzeit-VAE’lern immer Neues frisch, informativ und leicht präsentiert.

Und damit verabschiede ich mich von Herzen (im Moment noch aus Dubai) von Ihnen allen!

Ihr Pfarrer Johannes

Und noch etwas in eigener Sache:

Mein Abschiedsgottesdienst findet

am 17.06.23 von 11 Uhr 30 bis 13 Uhr 30

in der Christ Church in Jebel Ali statt!

Ich freu mich auf Sie!