Heute berichtet der deutsche Journalist Wolfgang Stephan über die neue Airbus-Tochterfirma Aerostructure, die vor einiger Zeit gestartet hat und 2500 Stellen schafft.

Er hat Wasserstoff-Flieger im Blick und den Hochlauf vor Augen: André Walter ist weiterhin der starke Mann in der zivilen Airbus-Produktion im Norden. Der bisherige Werkleiter in Finkenwerder ist seit 1. Juli Chef der neuen Tochterfirma Aerostructure, die das Herzstück in der Flieger-Produktion bildet. Weil die Produktion anzieht, werden an allen Standorten neue Arbeitskräfte gesucht.

Der Kampf um die neue Airbus-Struktur war laut und mit Warnstreiks behaftet, umso leiser hat sich der Wechsel vollzogen. Von den rund 22 000 Airbus-Beschäftigten im Norden arbeiten seit 1. Juli rund 9 000 in der neuen Aerostructure-Tochterfirma. Aus dem größten Standort in Finkenwerder wechselten 4 300 und aus Bremen 350 Beschäftigte, die aber alle ihre alten Arbeitsplätze und Sozialleistungen behalten. Nur der Arbeitgeber ist neu. Dazu kamen die komplette Belegschaft des Werkes Stade (1600) und der ehemalige PAG-Standort Nordenham, der komplett mit seinen 2 200 Beschäftigten in die Aerostructure integriert wurde. Weiterhin sind rund 500 Beschäftigte aus Entwicklungsbereichen und Zentralfunktionen an den Premium Aerotec-Standorten Augsburg und Varel mit im neuen Unternehmen. Die Premium-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Varel und Augsburg sollen spätestens 2025 auch in die Aerostructure eingegliedert werden. Alle Werke firmieren weiterhin unter dem Namen Airbus, außer den Dienstausweisen der Mitarbeiter hat sich nach Angaben von André Walter kaum etwas geändert. „Wir haben keine Zäune gezogen.“
In der Airbus Operation GmbH, arbeiten weiterhin 11 000 Menschen am Standort Finkenwerder, 1900 in Bremen und 350 in Buxtehude. In der Summe mit der Aerostructure ergibt das rund 22 000 Airbus-Beschäftigte in den Nordwerken. Aber es werden mehr. Bereits seit Beginn des Jahres wurden 2 100 Menschen eingestellt, bis zum Frühjahr 2023 sollen weitere 400 offene Stellen quer durch alle Standorte besetzt werden, wobei der größte Teil der neuen Stellen in Finkenwerder beheimatet ist.

Hintergrund dieser Beschäftigungs-Offensive ist der Hochlauf in der Produktion der A320-Familie. In der Pandemie wurde die monatliche Rate der A320-Flieger von 63 auf 40 Flugzeuge reduziert, jetzt sind es bereits wieder 52 und 2025 sollen 75 Flieger monatlich endmontiert werden, der größte Teil in Finkenwerder.

„Der Markt zieht weltweit weiter an“, sagte André Walter vor Journalisten in Finkenwerder, die Steigerung um ein Drittel in drei Jahren sei eine gewaltige Aufgabe für Airbus, aber auch für die Zulieferindustrie. Unter anderem weil die Produktion effektiver und flexibler gestaltet werden müsse, wurde die neue Aerostructure gegründet, ein Unternehmen mit eigener Führung, das für die gesamte Produktion verantwortlich ist. Auch in Frankreich wurde eine ähnliche Struktur aufgelegt. Nur die Endlinien in Finkenwerder sind bei der Airbus-Operation geblieben.
André Walter spricht aber nicht nur von Prozess-Optimierungen mit höheren Automatisierungsgraden in der Produktion, gleichwohl gelte es die Modellreihen der A320-Flieger den veränderten Wünschen der Kunden anzupassen. Die Nachfrage nach den umweltfreundlicheren Neo-Modellen und vor allem für den neuen A321XLR, der für die Langstrecke eingesetzt werden kann, ziehe deutlich an.

Parallel zum Hochlauf gelte es die Grundlagen für die Zukunft zu legen: Walter erneuerte das Ziel von Airbus, bis 2035 ein wasserstoffbetriebenes Flugzeug am Himmel zu haben. Nach ersten Studien hatte Airbus schon vor zwei Jahren drei Wasserstoff-Flugzeuge unter der Bezeichnung ZEROe vorgestellt, die hybridelektrisch angetrieben werden, also teils über Brennstoffzellen, teils über Verbrennungstriebwerke.

„Unser Ziel ist ein CO“-neutrales Flugzeug“, sagt Walter, der davon ausgeht, dass bis Ende 2025 die Entscheidung über die neue Modellreihe und vor allem die Antriebstechnik getroffen werden müsse.
Erstmals bei Airbus werde bei der Forschung auch bereits die Produktion – und damit die Aerostructure – mit in die Prozesse einbezogen, um frühzeitig zu erkunden, welche Folgen die verschiedenen Varianten für die Produktion haben werden.

So gelte es schon jetzt, auch die Standorte in die Forschungsprozesse einzubeziehen, „Nordenham beispielsweise wird mit Blick auf neue Technologie in der Rumpf- und Schalenfertigung eine große Rolle spielen“, sagte Walter.

Dass der Konzern bereits vor Wochen die Auslieferungszahl für das Jahr 2022 von 720 auf 700 Flieger leicht reduziert habe, sei mit Rücksicht auf die Zulieferindustrie erfolgt. „Wir haben die Hochlauf-Kurve leicht gestreckt“, sagte Walter. Gleichwohl sei die Luftfahrt von den weltweiten Lieferengpässen relativ verschont geblieben, Produktionsausfälle habe es bei Airbus nicht gegeben, weil die Luftfahrt angesichts der vergleichsweise niedrigen Produktionsraten besser aufgestellt sei als beispielsweise die Automobilindustrie. Walter: „In der Zeit, in der wir einen Chip verbauen, verbaut die Autoindustrie 40 000 Chips.“