Rechtsanwältin Luisa Rödemer von der Kanzlei Rödl & Partner Dubai beschäftigt sich heute in einem Artikel mit einem für alle „brandheißen“ Thema.
Auch wenn Anlass dieses Artikel die weltweit zunehmende Besorgnis im Zusammenhang mit dem „Corona-Virus“ ist, so lassen sich die nachfolgenden Ausführungen doch auch weitestgehend auf andere Szenarien übertragen, die eine Evakuierung bzw. eine Quarantäne nach sich ziehen und behalten daher grundsätzlich auch über die jetzige Situation hinaus ihre Gültigkeit.
Spätestens seit der Rückholaktion deutscher Staatsbürger mittels einer Bundeswehr-Maschine aus dem chinesischen Krisengebiet um die Stadt Wuhan und der damit verbundenen Ankündigung des Auswärtigen Amtes, die angefallenen Kosten – jedenfalls teilweise – den evakuierten Personen in Rechnung zu stellen, stellt sich vermehrt die Frage diesbezüglicher rechtlicher Rahmenbedingungen. Die nachfolgenden Ausführungen sollen die derzeit bestehende rechtliche Lage näher erläutern.
Bereits das deutsche Grundgesetz sieht eine Fürsorgepflicht des deutschen Staates gegenüber seinen Bürgern vor. Bezogen auf die hiesige Thematik regelt das deutsche Konsulargesetz diese Fürsorgepflicht näher und verpflichtet den Staat dazu, Deutschen im Ausland mit Rat und Beistand zur Seite zu stehen. Als Hilfeleistung kommt dabei unter anderem auch in Betracht, Personen nötigenfalls zu evakuieren. Diese Hilfeleistung stellt dabei jedoch keine unbedingte Pflicht dar, sondern steht vielmehr im pflichtgemäßen behördlichen Ermessen. Dabei hat der Bürger grundsätzlich keinen Anspruch auf eine ganz konkrete Hilfsmaßnahme. So können im Einzelfall beispielsweise auch erhebliche Verletzungen der Rechte einzelner Bürger im Ausland hinzunehmen sein, um höherrangige Interessen der Allgemeinheit nicht zu gefährden. Es ist jedoch auch zu beachten, dass das Auswärtige Amt das „pflichtgemäße Ermessen“ in ständiger Verwaltungspraxis als „Pflicht“ begreift und sich regelmäßig auch dahingehend äußert. Dies führt in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz zu einer gewissen Selbstbindung der Behörde. Ebenso muss bei der Ermessensausübung stets die grundgesetzliche Pflicht zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit berücksichtigt werden. Regelmäßig ist daher zu erwarten, dass die Behörde zeitnah die erforderlichen Hilfsmaßnahmen einleiten wird.
Hat schließlich eine Evakuierung stattgefunden, so stellt sich die Frage wer die Kosten hierfür zu tragen hat. Auch wenn dies auf den ersten Blick vielleicht etwas verwunderlich wirken mag, so obliegt die Kostentragung grundsätzlich dem im Einzelfall betroffenen Bürger. Seine Rechtsgrundlage findet dieser Umstand im Konsulargesetz in Verbindung mit dem Auslandskostengesetz sowie der Auslandskostenverordnung. Im Falle einer konsularischen Hilfeleistung ist der Hilfsempfänger grundsätzlich zum Ersatz der Auslagen des Staates verpflichtet. Mehr noch, ist der Staat sogar verpflichtet den Auslagenersatz geltend zu machen. Nur in besonderen Einzelfällen – insbesondere in Härtefallen – kann von der Geltendmachung von Auslagenersatz abgesehen werden.
Im Falle einer beruflichen Auslandstätigkeit können auch den Arbeitgeber Pflichten zum Schutz seiner Arbeitsnehmer treffen. Findet deutsches Arbeitsrecht Anwendung, ist hierbei insbesondere an die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zu denken, welche als Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag resultiert. Diese Pflicht kann dabei – abhängig vom Einzelfall – unterschiedlichste Inhalte haben. Eine abschließende Aufzählung ist daher nicht möglich. Sie reicht von der allgemeinen Unterrichtung für ein Verhalten im Krisenfall über Warnungen im Einzelfall bis hin zu weitergehenden Maßnahmen, wie z. B. die Rückholung aus dem Ausland verbunden mit einer Unterbringung im Inland.
Nach einer erfolgten Evakuierung nach Deutschland kann es nötigenfalls auch zu Quarantänemaßnahmen kommen. Gemäß dem Infektionsschutzgesetz steht es bei Ansteckungs- und Krankheitsverdächtigen dabei im Ermessen der zuständigen Behörde (i.d.R. die Kreisverwaltungsbehörde), Quarantänemaßnahmen anzuordnen. Die Durchführung der Quarantäne kann dabei erforderlichenfalls auch zwangsweise erfolgen.
Wurden von den Behörden Evakuierungs- oder Quarantänemaßnahmen angeordnet so ist diesen Folge zu leisten. Unter der Geltung deutschen Arbeitsrechts entfällt in diesen Fällen auch die Pflicht zu arbeiten. Als Folgefrage stellt sich jedoch, ob dies auch zum Verlust des Vergütungsanspruchs führt. Je nach Einzelfall kann hierbei die Lohnfortzahlung auf Grund „persönlicher Verhinderung“ in Betracht kommen. In diesem Falle ist der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung für einige Tage bis hin zu mehreren Wochen („verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“) verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer Leistungen zu erbringen hat. Greift diese lohnerhaltende Rechtsnorm nicht, bspw. weil diese vertraglich ausgeschlossen wurde, kommt im Falle von Quarantänemaßnahmen nachrangig auch ein Entschädigungsanspruch für Arbeitnehmer nach dem Infektionsschutzgesetz in Betracht. Der Entschädigungsanspruch besteht in Höhe des Verdienstausfalles für die Dauer von 6 Wochen. Im Anschluss daran besteht der Entschädigungsanspruch in Höhe des Krankengeldes für gesetzlich Versicherte (unabhängig davon, ob die jeweilige Person tatsächlich in Deutschland gesetzlich krankenversichert versichert ist). Anders als die Kosten für Evakuierungsmaßnahmen – und vorbehaltlich anderweitiger Sonderreglungen – sind die Kosten für angeordnete Quarantänemaßnahmen grundsätzlichen vom Staat zu tragen.
Schließlich ist auch an die Situation zu denken, dass zwar der Arbeitnehmer weiterhin arbeitsfähig und auch arbeitswillig ist, das Unternehmen jedoch den Betrieb vorläufig aufgrund von Gefahren bzw. Schutzmaßnahmen eingestellt hat. Auch in diesem Fall bleibt – unter Geltung des deutschen Arbeitsrechts – der Vergütungsanspruch grundsätzlich erhalten. Eine Pflicht zur Nachholung der entfallenen Arbeit besteht dabei nicht. Das Risiko des Arbeitsausfalles liegt in diesen Fällen grundsätzlich beim Arbeitgeber.
Weitere arbeitsrechtliche Auswirkungen in diesem Zusammenhang können auch die Erweiterung des Weisungsrechts des Arbeitsgebers sowie die einseitige Verlegung oder der einseitige Widerruf des Urlaubs bzw. die Anordnung von „Urlaubssperren“ durch den Arbeitgeber sein.
Sollten Sie zu diesem Thema Fragen haben oder die Unterstützung der Kanzlei Rödl & Partner bei einem anderen rechtlichen Problem benötigen, können Sie das deutschsprachige Team jederzeit telefonisch unter +971 4 295 00 20 kontaktieren oder schreiben Sie ein Mail an luisa.roedemer@roedl.com.