Schon häufig hat Sven the Baker in Expat Aktuell um Thema Gesundheit, Nachhaltigkeit, Ernährung, Brot etc. Stellung genommen.

Vor kurzem traf ich ihn, um mit Sven über dieses Thema zu sprechen.

Es gibt keinen Menschen auf der Welt, der im Augenblick Gesundheit, Umwelt, Nachhaltigkeit, Ernährung und Brot so wie Du verbindet. Aber muss man diese Themen miteinander unbedingt verbinden?

Sven

Ja, das ist sogar unumgänglich, um Weltprobleme wie den Hunger, die Klimaerwärmung und voranschreitende Krankheiten wie Allergien, Krebs etc. überhaupt in den Griff zu bekommen.

Es geht nicht um Einstellungen, es geht um Fakten, um blanke klare Zahlen, die wissenschaftlich schon seit Jahrzehnten belegt sind. Große Teile der Wissenschaft leisten hervorragende Arbeit. Allerdings werden ihre Ergebnisse von Politik und besonders von Medien leider nicht angemessen kommuniziert.

Gibt es konkrete einfache Beispiele dafür?

Sven

Ja natürlich! Nehmen wir doch einfache Berechnungen des notwendigen Agrarbodens, der für die verschiedenen Lebens- und Ernährungsstile benötigt wird.

Oder nehmen wir den Wasserbedarf, der benötigt wird, um die verschiedenen Lebensmittelgruppen herstellen zu können.

Für mich persönlich ist aber die am meisten beeindruckende  Berechnung die klare Gegenüberstellung, wieviel kcal benötigt werden für z.B. 1 kcal Rindfleisch, Geflügel, Milch und Ei oder auch Brot.

Am erschreckendsten ist aber die Tatsache, dass für 1kg Zuchtfisch jeglicher Art 2.5-5kg Fisch aus dem Meer (gefangen und geschreddert) werden muss.

Das bedeutet, im Augenblick werden gut 40% des Weltfischbedarfs über Zuchtfisch gedeckt, wofür man aber 100-200% Meeresfisch fangen und schreddern muss, um diesen Zuchtfisch zu füttern.

Diese ganzen Beispiele zeigen auf, wie unsinnig, unlogisch und absolut ineffizient diese zur Zeit praktizierten Lebenskonzepte sind. Siehst Du die Sache nicht zu extrem?

Sven

Nein, überhaupt nicht –  im Gegenteil. Das sind nicht Zahlen von irgendwelchen Pessimisten oder Extremdenkern. Das sind allgemein Zahlen, die von Instituten und Unis ermittelt wurden für die Öffentlichkeit. Und wir wissen alle, dass derartige Zahlen eher zu schön gerechnet werden. Wenn man sich das Gesamtbild und die Gesamtsituation auf unserem wunderbaren Planeten Erde ansieht, wo nur knapp ein Viertel (25%) der möglichen Agrarflächen überhaupt bebaubar sind, wo fast 80% des Meeresbodens zerstört sind, wo täglich 800Millionen Menschen hungrig ins Bett gehen, denke ich nicht, dass man von extrem sprechen kann, sondern dass man eher einen eher gesunden Realismus an den Tag legen muss.

Denkst Du, dass es Lösungen für diese Probleme gibt?

Sven

Lösungen für diese Probleme gibt es schon sehr lange und sie sind für jeden, der sich die Zahlen und Fakten betrachtet, offensichtlich.

Du hast in Eurer Speisekarte nicht nur gesunde sondern auch sehr verschiedene Auswahlmöglichkeiten. So bietet Ihr auch Frühstück mit Würstchen, Speck und auch Steaks und Schnitzel an.

Sven

Ja das stimmt. Ich vertrete die Auffassung, dass man den Kunden (in Bakers Kitchen sind es FREUNDE) nicht vorschreiben darf, was sie essen müssen. Aber wir in der Bakers Kitchen fühlen uns verpflichtet, aufzuklären, zu informieren und gesunde Alternativen zur Verfügung zu stellen für unsere Freunde.

Bist Du deshalb weltweit unterwegs in den Medien und hältst Vorträge und gibst Workshops um zu informieren?

Sven

Ja genau, weil man über die Medien mehr Menschen als sonst erreichen kann. Und weil Vorträge und Workshops, für die man gebucht wird, immer schon ein Interesse und eine gewisse Grundbereitschaft der Zuhörer voraussetzen.

Warum gehst Du in Deinem 1. Buch auf Getreide und Brot ein, auf das veraltete Berufsbild eines Bäckers in Europa und legst so viel Wert auf andere und teilweise neue Rohstoffe? In Deinem 2. Buch konzentrierst Du Dich auf Getreide und auf andere Rohstoffe, das Backen und den Bäcker als einen Teil der großen Lösungen für die Zukunft.

Sven

Das 2. Buch baut auf dem 1. Buch auf. Und generell muss ein Bäcker im 21. Jahrhundert nicht mehr ausschließlich mit den bekannten Standard-Getreidearten backen. Auch stehen die Bäcker weltweit vor einer einzigartigen Herausforderung, ihren Anteil an der Zukunft der Menschheit zu leisten, einen Anteil richtig verstanden und umgesetzt, der für die Zukunft der Umwelt, Gesundheit, Ernährung und Nachhaltigkeit besonders wichtig ist.

Das Handwerk wie es allgemein in Europa und in Deutschland gelehrt wird, muss reformiert und den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und darüber hinaus angepasst werden. Wie schon Einstein treffend gesagt hat: ”Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.”

Auf meinen Reisen darf ich immer wieder interessante Menschen kennenlernen- Bäcker/innen, Quereinsteiger und viele Amateurbäcker, die sich diesen Herausforderungen gern mit viel Leidenschaft stellen oder stellen würden, denen aber die notwendige und unterstützende Ausbildung nicht gegeben werden kann, weil sie nicht existiert als ganzheitliches Konzept.

Denkst Du persönlich, dass Du auf einem richtigen Weg bist und alles richtig machst?

Sven

Ich muss das so beantworten: Ganz besonders die letzten 15 Jahre haben mir gezeigt, dass, je mehr ich mich mit Umwelt, Nachhaltigkeit, Gesundheit und Ernährung beschäftige, umso mehr Fragen vor mir aufgehen.

Vergleiche es einfach, als wenn Du durch einen Korridor gehst – den Korridor des Lernens. Wenn Du die Tür hinter Dir schließt und Dich umdrehst, hast Du vor Dir 2, 3 oder mehr Türen, die Du wieder öffnen musst. Je mehr Du lernst, je mehr Du in die Materie eintauchst, umso mehr verstehst Du, wie wenig Du eigentlich weißt. Wie schon Sokrates sagte: ”Je mehr ich weiß, umso mehr weiß ich, dass ich nichts weiß“ und gerade das macht das Lernen und die Zukunft so interessant.

Ja ich denke, ich bin auf dem richtigen Weg.

Aber ich mache bei weitem mit meinen Teams nicht alles richtig. Jeder Tag stellt uns in der Backstube, der Küche und im Service vor Herausforderungen. Und wir machen Fehler! Aber wir bemühen uns mit all unserer Kraft, unsere Fehler zum Vorteil unserer Freunde zu korrigieren, was meistens gelingt.

Wie siehst Du in die Zukunft?

Sven

Jeder Tag ist für mich eine Herausforderung. Fast jeden Tag treffe ich tolle Menschen. Fast jeden Tag darf ich anderen Menschen und der Umwelt etwas Gutes tun. So wie jeder Tag für mich eine Zielsetzung darstellt, so ist auch fast jeder Tag eine Erfüllung und Freude.

Und genauso wie ich als Jugendlicher, als ich den nächsten Tag nicht abwarten konnte, in die Backstube oder zu meinen Pferd zum Reiten zu gehen, oder meine Freunde zu treffen, kann ich es heute nicht erwarten, dass der nächste Tag beginnt, um das zu tun, was mich glücklich macht…zu backen und mein Wissen mit anderen Menschen und Freunden zu teilen.

Welche Ziele stehen für die nahe Zukunft an?

Sven

Ich möchte Bakers Kitchen zu einer Kette machen, eine Kolumne für eine namenhafte Zeitung schreiben, meine beiden fortgeschrittenen Bücher vollenden und so vielen Menschen wie möglich aktiv, riechbar, sichtbar, schmeckbar und spürbar helfen, gesünder leben zu können. Es gibt noch einige andere Dinge, aber Du hast ja nach der nahen Zukunft gefragt.

Expat Aktuell sagt danke für dieses spannende Gespräch und sogar ich werde nochmals über meine Ernährung nachdenken, auch wenn ich eigentlich eine „fleischfressende Pflanze“ bin.

Vor allem wünsche ich Dir aber viel Erfolg bei der Umsetzung Deiner Ziele!