Heute berichtet der deutsche Journalist Wolfgang Stephan wieder über Eindrücke am Rande der WM in Qatar – über das was ihm aus Deutschland geschrieben wird wegen seiner „zu positiven“ Berichterstattung über Qatar und über eine FIFA-Party

Über die Rechte der Frauen

„Ihre Berichte sind viel zu positiv über ein Land, das Frauenrechte mit Füßen tritt“, stand gestern in einer Mail aus Deutschland. Weil in Katar Frauen nicht selbstbestimmt leben dürfen. Ist das so?
Ich erlebe es anders. Ich hatte an dieser Stelle vor zwei Wochen angekündigt, noch einmal über mein Gespräch mit Alya zu berichten, einer Frau aus Katar, die ich im Medienzentrum traf und die mich angesprochen hat. Nicht umgekehrt. Ich hatte sie gefragt, ob sie sich als selbstbewusste Frau als Ausnahme sehe:  Ihre Antwort: „Wieso, ich habe in Doha auf einer kanadischen Universität studiert. Bildung und Ausbildung sind das Wichtigste für ein Land, für Frauen und Männer, aber Du musst wissen, dass in Katar mehr Frauen als Männer studieren.“  Ob Frauen es in Katar schwerer haben als Männer? „Ich verstehe die Frage, aber ich verstehe nicht, warum das immer noch gefragt wird. Wir Frauen in Katar haben die gleichen Probleme wie die Männer. Unser Land versucht, Frauen und Männern die gleichen Rechte zu geben. Das wird immer besser.“
Zugegeben, das ist nur ein Schlaglicht. Eine, die es noch besser wissen muss, ist Professorin Claudia Lux, Honorarprofessorin an der Humboldt-Universität in Berlin, die in Katar die Nationalbibliothek mit aufgebaut hat. Sie sagt in einem Interview mit dem Autor Olaf Jansen über ihr Leben im Emirat: „Ich konnte mich frei bewegen, wie alle Frauen.“ Angesprochen auf das in Deutschland vorherrschende Frauenbild im Emirat sagt sie: „Es wird der Situation der Frauen in Katar nicht gerecht und es wird den Menschen die dort leben und sich entwickeln, nicht gerecht.“ Im Prinzip sei die Rolle der Frau seit 1995 einem starken Wandel unterworfen. Natürlich gebe es in Katar Traditionalisten, doch die könnten die langsame Entwicklung zu einer moderneren Gesellschaft nicht aufhalten. „Die Frauen nehmen sich in Katar Stück für Stück ihre Rechte.“
Zu belegen wäre das mit Shai Al Shamoous, der ersten Frau aus Katar, die im Souq Waqif schon vor zwanzig Jahren ein eigenes Lokal eröffnet hat. Eine selbstbewusste Wirtin, die überall als Erfolgsfrau verehrt wird. Ob sie es als Frau besonders schwer hat? Als Antwort zeigt sie mir ein auf einer Tafel stehendes Zitat von ihr: „Verlassen Sie sich auf sich selbst, arbeiten Sie hart und lassen Sie nichts unversucht, auch wenn Sie bei Null anfangen müssen.“

Übrigens:  Es war schon auffallend, wie viele Journalistinnen aus der gesamten Welt über die WM berichten. Nur im deutschen Medienzentrum waren unter den 150 Medienleute nicht mal zehn Frauen. Soweit zur Lage der Frauen in Deutschland.

Nicht alles bei der FIFA ist schlecht

Ende gut, alles gut. Mitnichten, erstens weil am Sonntag einer der Superstars am Boden zerstört sein wird und zweitens, weil dieser Weltcup noch Nachwirkungen haben wird. Fußball und Politik sind nicht mehr zu trennen, das ist eine Erfahrung dieser WM. Wie ich höre und lese, spielt die in Deutschland keine große Rolle. Umso mehr hier und im gesamten arabischen Raum. Geopolitisch hat dieses Fußballfest die arabische Welt verändert, aus Feinden sind zumindest zaghaft wieder Freunde geworden, was in den noch folgenden Analysen auch von mir noch näher beleuchtet wird.

Ein Fußballfest? Ja, Doha wird im Moment dominiert von blau-weiß gekleideten Menschen, 40 000 Argentinier sollen am Sonntag im Lusail-Stadion wieder ihre Party feiern. Das ist schon grandios, wenn auf die Melodie des alten argentinischen Tango-Klassikers „Muchachos, Esta Noche Me Emborracho“ („Leute, heute Nacht betrinke ich mich“) die Argentinier von ihrer langen Leidenszeit und der Sehnsucht auf den WM-Titel singen.

Apropos, Noche Me Emborracho, die FIFA hatte am Donnerstagabend zu einer Media Night eingeladen. Geschätzte 3.000 Medien-Menschen unter dem Sternenhimmel am Persischen Golf, in einer Open-Air-Location, in der es kein Gedränge gegeben hat. Katar ist immer ein Level höher, das habe ich mittlerweile gelernt. Live-Bands und Food in allen Variationen, was die arabische Welt so wunderbar macht.

Alle irgendwie fröhlich gelaunt (Deutsche habe ich nicht getroffen). Dem Ereignis angemessen gab es vor allem ein Gesprächsthema: Kylian oder Lionel, Mbappé oder Messi, wobei der Argentinier in der Gunst ziemlich vorne lag. Aber: Bei den Frauen war es der Kylian, der offenbar etwas hat, was dem Lionel fehlt. Es war schon auffallend, wie viele Journalistinnen aus der gesamten Welt über die WM berichten. Im deutschen Medienzentrum waren (damals, als die Nationalelf noch mitgespielt hat) unter den 150 Medienleute nicht mal zehn Frauen. Nur mal so angemerkt. Ein Drittel der Feiernden heute Nacht war weiblich, was für die Party kein Stimmungskiller war.

Wer des Fußballs überdrüssig war, konnte im Beduinenzelt liegen, Shisha rauchen, einem Lautenspieler lauschen und Gin Tonic trinken. Ja, die FIFA hatte mal wieder die Regel eines Landes anders ausgelegt. Eine der besten Entscheidungen der FIFA seit vielen Jahren.