Heute berichtet der deutsche Journalist Wolfgang Stephan über den Airbus A321 XLR vor dem Erstflug und wie aus einem Mittelstreckenjet ein Langstreckenflieger wird.

Es ist vermutlich der letzte neue Passagier-Jet in diesem Jahrzehnt, der bei Airbus in Finkenwerder zum Erstflug starten wird: Der Airbus A321 XLR ist fast fertig und wird in den nächsten Wochen seine Premiere haben. Mit bereits über 500 Bestellungen sind die Airbus-Strategen sicher, dass ihr Kalkül aufgehen wird: Es soll ein Flugzeug für den Weg aus der Pandemie-Krise sein.

„Die Mannschaft fiebert dem Erstflug entgegen“, sagte A320-Programmchef Michael Menking zum Wochenbeginn in einem Gespräch mit Luftfahrt-Journalisten. Schon jetzt gilt der Jet als ein großer Coup von Airbus, denn mit dem neuen A321 XLR-Flieger wurde ein Mittelstreckenflieger zum Langstreckenflieger erweitert. Der neue A 321 XLR, für den zur Zeit drei Testflieger in Finkenwerder ausgerüstet werden, ist demnach kein ganz neues Flugzeug, aber eine kluge Weiterentwicklung der A321 LR. Der Flieger erhält einen zusätzlichen Tank im Rumpfbereich hinter den Tragflächen, ein weiterer optionaler Tank kann im Rumpfbereich vor den Tragflächen installiert werden. Durch die zusätzlichen Tanks und den Umbau der Kabine auf eine Langstreckenversion hat der Airbus A321 XLR eine Reichweite von 8700 Flug-Kilometern, rund 15 Prozent mehr als die A321 LR und kann bis zu zehn Stunden in der Luft bleiben. Strecken von den deutschen Airports an die amerikanische Ostkünste, aber auch Routen wie Frankfurt – Seattle oder Paris – Peking werden dadurch ohne Zwischenstopp möglich.

 „Point to Point“, nennt Programmchef Menking den schon länger anhaltenden Trend der Luftfahrt, der letztlich zum Aus für den A380 geführt hat, der einstmals als Flugzeug für die großen Drehkreuze der Welt konzipiert wurde. Die A380-Maschinen fliegen mit vier Triebwerken und zu erheblich höheren Kosten und damit einer weitaus schlechteren Klimabilanz.
Doch die Luftfahrt hat sich anders entwickelt, die Airlines setzen auf sparsamere Flieger, die ökonomischer auch auf der Langstrecke eingesetzt werden können, wie jetzt der A321 XLR. Diese neue Variante des Langstreckenjets wurde von den Airlines sofort goutiert: Schon während der Paris Air Show 2019, bei der das Flugzeug erstmals als neues Modell aus der erfolgreichen A320-Familie vorgestellt wurde, gab es 229 Bestellungen und Optionen von elf Airlines. Die größte Order gab es von American Airlines – die US-Amerikaner bestellten 50 A321 XLR, mit denen sie zeitnah ihre alternden Boeing 757 ersetzen möchten.
Mittlerweile stehen mehr als 500 Bestellungen von über 20 Airlines in den Auftragsbüchern, obwohl der A321 XLR noch nicht in der Luft war. Luftfahrt-Experten gehen davon aus, dass Airbus mit der XLR dem Erzrivalen Boeing im Langstreckengeschäft Marktanteile streitig machen kann. Während Airbus im Kurz- und Mittelstreckenbereich mit der A320-Familie punktet, lag Boeing bislang bei Langstreckenflugzeugen in Führung. „Wir werden mit dem XLR auch neue Strecken und neue Märkte erobern“, sagt Michael Menking.
2023 soll das neue Flugzeug in Dienst gehen, das für die Airbus-Werke im Norden schon jetzt absehbar eine große Bedeutung haben wird, denn die Endmontage – die immer prestigeträchtig für ein Flugzeug ist – erfolgt in Finkenwerder. Im Stader Werk wird, wie bei allen Airbustypen, das Seitenleitwerk produziert, aus Buxtehude kommen die Kabinensysteme, von Premium Aerotec in Nordenham die Rumpfschalen und Teile der Flügel aus Bremen.

Je nach Ausstattung finden 180 bis 244 Passagiere in dem neuen Airbus Platz, der 2023 an die ersten Fluggesellschaften ausgeliefert werden soll. Die jetzt erstmals vorgestellte Kabinenausstattung knüpft an die Premium-Ausstattung des A330-Großfliegers an und soll die modernsten Elemente der Luftfahrt beinhalten. Dazu gehört die Luxus-Ausstattung in der Business-Class, aber auch mehr Beinfreiheit in der Economy-Class. Wenn die Airlines es wünschen, wird eine Zwischenklasse eingerichtet, die „Premium Economy“. Neue Licht- und Bediensysteme und  Unterhaltungsprogramme gehören zur Standardversion.  „Tolle Emotionen an Bord“, verspricht Kabinen-Marketing-Chef Ingo Wuggetzer.
Zunächst gehen die drei Testflieger in die Flugerprobung. Wann die Serienproduktion starten wird, lässt Airbus noch offen. Der Tag des Erstflugs steht noch nicht ganz fest, intern wird bei Airbus mit einem Start im laufenden Quartal gerechnet.
Programmchef Michael Menking ist sich jetzt schon sicher: „Der XLR ist die richtige Antwort, um aus der Krise zu fliegen.“