Heute geht es auch in der Kolumne von Sven the Baker um etwas Weihnachtliches – gerade rechtzeitig für die Festive Season.
Es weihnachtet sehr und es ist immer wieder interessant und schön, die Geschichte des Stollens lesen um verstehen zu können, dass der Stollen ein tiefes und ergreifendes Stück der Backkultur ist. Er ist in Deutschland und überall auf der Welt sehr beliebt.
Auch wir hier in Dubai backen unsere eigenen Stollen in der Baker’s Kitchen. Wir sind sogar der einzige Bäcker weltweit, der einen Sauerteig-Stollen backt. Dadurch ist unser Stollen lockerer und saftiger, weniger kompakt und basierend auf unserem eigenen Gewürzmix (wir mahlen die Gewürze selbst und ganz frisch vor dem Backen) und auch etwas weniger süß als üblich.
Er ist sehr beliebt. Allein im letzten Jahr (2019/2020) verkauften wir mehr als 2000 Stollen. Dieses Jahr sind wir schon auf einem sehr guten Weg zu dieser Zahl.
Selbstverständlich ist die richtige Lagerung unseres Stollens eine ganz wichtige Sache. Unser Stollen wird am besten im Kühlschrank gelagert in einer Box oder in einer anderen angemessenen Verpackung.
Wir ergänzen den Stollen durch zahlreiche Kekse und anderes Weihnachtsgebäck – alles handwerklich in Top-Qualität mit viel Leidenschaft und Liebe hergestellt.
Ich möchte in diesem Artikel zur Weihnachtszeit nicht auf die technischen Enzyme, chemischen Zusätze wie Geschmacksverstärker usw. eingehen, die auch leider in der Weihnachtsbäckerei große Anwendung finden und in Massen regelrecht missbraucht werden, um Geschmack zu simulieren, Frische zu garantieren und das Haltbarkeitsdatum zu verlängern. Was das für unseren Körper bedeutet, habe ich ja schon in meinen vorherigen Artikeln beschrieben. Deswegen bleibt es hier bei einer kurzen Beschreibung.
Um die Geschichte des Stollens aufzugreifen und zu erzählen, möchte ich auf die Erläuterung meines Freundes Bernd Kütscher, Leiter der Backakademie in Weinheim in Deutschland zurückgreifen. Ich kann es definitiv nicht besser erklären und zusammenstellen als er es bereits tat. Deswegen greife ich jetzt hier teilweise auf seine Beschreibung zurück.
In diesem Zusammenhang: Bernd, vielen lieben Dank dafür. Ich muss leider etwas kürzen, da der Artikel sehr ausführlich ist.
Hier nun die Geschichte des Stollens nach Bernd Kütscher:
Historische Herkunft, Name und Formgebung des Christstollens
Ursprünglich basiert der Christstollen auf den keltischen Opferbroten, welche mit der Christianisierung von den mittelalterlichen Klosterbäckereien übernommen wurden. Die erste urkundliche Erwähnung des Stollens erfolgte vor rund 700 Jahren, doch vermutlich ist das Gebäck noch weitaus älter – wobei der frühere Stollen mit dem heutigen nur die Form verbindet, nicht die Rezeptur. Dazu gleich mehr.
Zur Herkunft des Wortes „Stollen“ gibt es vier Theorien. So soll der Name „Stollen“ manchen Quellen nach von einer Ableitung des Wortes „Stulle“ kommen, was für „Stück“ steht. Andere vermuten eine Ableitung des Wortes „Stulno“, was so viel wie „groß und mächtig“ bedeutet. Demnach hätte der Stollen die Bedeutung „mächtiger Festkuchen“. Eine dritte Version geht davon aus, dass der „Stollen“ die Stützen der Wiege des Christkindes meint – was aber unwahrscheinlich ist, weil dieses nicht in einer Wiege lag, sondern laut der Bibel in einer Krippe. Die verbreitetste Theorie vermutet eine Wortherkunft aus dem Bergbau, wo der „Stollen“ (althochdeutsch: Stollo) einen tragenden Pfosten meint. Damit sollte im christlichen Glauben die tragende Kraft Jesu symbolisiert werden. Aus den historischen Quellen lässt sich die tatsächliche Herkunft des Wortes nicht eindeutig erschließen, so dass jede der Theorien richtig sein kann oder auch nicht.
Der Stollen war damals in jedem Fall aber eine Fastenspeise, die in der Fastenzeit vor Weihnachten gebacken wurde. Wie andere Gebäcke, die zu Festen des Kirchenjahres in bestimmten Formen hergestellt und verzehrt wurden, gehört der Stollen zu den sogenannten Gebildbroten. Weitere Gebildbrote sind z.B. die Brezel, das Osterlamm, der Hefezopf oder der Stutenkerl, der je nach Region auch Weckmann, Klausenmann, Grättimaa, Dambedei, Krampus o.ä. heißt.
Die traditionelle Form und das weiße Äußere des Stollens stellt eine Versinnbildlichung des in Windeln gewickelten Jesuskindes dar. Daher auch die Bezeichnung „Christstollen“.
Die Geschichte des Christstollens
Erste urkundliche Erwähnung war in Naumburg an der Saale.
Im Jahr 1329 hat Bischof Heinrich I. von Grünberg den Bäckern in Naumburg die Herstellung von Stollen als neues Zunftprivileg erteilt, unter der Bedingung, dass ihm „zwey lange weyssene Brothe, die man Stollen nennet“ (zwei lange, weiße Brote, die man Stollen nennt) aus je einem halben Scheffel Weizen zum Fest geliefert wurden. „Scheffel“ ist ein altes Raummaß, welches vor allem für Getreide angewandt wurde. Je nach Region in Deutschland konnte ein Scheffel Weizen 17,38 Liter bis 310,25 Liter umfassen. In Naumburg, damals in Preußisch Sachsen und heute in Sachsen-Anhalt gelegen, beinhaltete ein Scheffel damals 77,12 Liter. Ein Liter Mehl sind etwa 700 g, hieraus bekommt man gut 1 kg Stollen damaliger Art. Somit bekam der Bischof zu jedem Fest wohl zwei Stollen von je knapp 40 kg Gewicht. Das Zunftprivileg für die Naumburger Bäcker vor knapp 700 Jahren lässt darauf hindeuten, dass Naumburg die erste Hochburg der Stollengeschichte war. Rezepte aus der Ursprungszeit wurden jedoch nicht überliefert. Der Naumburger Stollen konnte sich als Marke historisch auch nicht durchsetzen.
Die Geschichte des Christstollens Teil 2
Er entwickelte sich von der Fastenspeise zum Festgebäck.
Die Stollen der damaligen Zeit hatte als Fastengebäck mit dem heutigen Festgebäck wenig gemeinsam. Denn in der 40 Tage dauernden Fastenzeit vor Weihnachten waren tierische Produkte streng verboten, somit auch die Milch und die Butter. Stollen durften nur aus Mehl, Wasser und „Rüböl“ (Rapsöl) gebacken werden. Der Ursprungsstollen war also eher eine Art fetthaltiges Brot und diente wohl dazu, die kargen Fastenwochen, in denen ja auch Fleisch und Eier verboten waren, in den ohnehin nicht üppigen Zeiten zu überleben.
Fast immer liest man in der Geschichte des Christstollens auch von „Hefe“ als weiterer Zutat zu den Stollen damaliger Fastenzeiten, was zu den von Geschichte zu Geschichte übertragenen Mythen gehört, jedoch nicht korrekt sein kann. Denn die Details der Gärung und die Funktion der Hefe darin waren noch lange unbekannt. So setzte die französische Akademie der Wissenschaften im Jahr 1799 einen Preis in Form eines Kilobarrens Gold für den Wissenschaftler aus, der die Geheimnisse der Gärung aufklärt – vergeblich. Die Hefe wurde erst im Jahr 1857 durch den Chemiker Louis Pasteur entdeckt und noch viel später in Hefefabriken kultiviert. Man bediente sich bis dahin der wilden, überall in der Natur vorkommenden Hefen (ohne um diese zu wissen) und versuchte den Teig zum Fermentieren zu bringen, was durch die Erfahrung der Bäcker meist gelang. Jedoch besagt ein alter Bäckerspruch aus dieser Zeit: „Backen und Brauen gelingt nicht immer“. Insofern kann man mit Gewissheit sagen, dass die Hefe damals noch nicht im Stollenrezept stand.
Die Entwicklung vom sehr magerem Fastengebäck zum reichhaltigen Festgebäck wird später einer Persönlichkeit zugeschrieben, zu der ich jetzt komme.
Die Geschichte des Christstollens Teil 3
Hofbäcker Heinrich Drasdo erfindet den heutigen Stollen.
Heinrich Drasdo war zu Beginn des 15. Jahrhunderts Hofbäcker auf Schloss Hartenfels in Torgau. Auf Bitten seiner Fürsten aus der Wettin-Dynastie schuf er ungefähr im Jahr 1429 den wohl ersten Stollen heutiger Art, als schweren Hefeteig mit Butter, Rosinen, sowie Zitronat und Orangeat, bestrichen mit ausgelassener Butter und gewälzt in Zucker, der ebenso wie die eingesetzten Gewürze sündhaft teuer war. Drei Kilogramm Zucker kosteten damals so viel wie ein ganzes Rind. Das Gebäck von Heinrich Drasdo wurde Drasdoer Stollen genannt und war in Kreisen des Adels wohl sehr berühmt. Somit war Torgau damals eine Hochburg des Christstollens. Wegen der reichhaltigen Rezeptur und der Namensähnlichkeit gilt der Drasdoer Stollen als historischer Vorläufer des Dresdner Stollens.
Das üppige Festgebäck des Fürsten war allerdings ein Verstoß gegen die christlichen Fastenregeln und durfte daher erst nach der Fastenzeit zum heiligen Fest gebacken werden. Deshalb wandte sich Kurfürst Friedrich II. der Sanftmütige im Jahr 1430 an Papst Nikolaus V. mit der Bitte, dem Adel im Kurfürstentum Sachsen das reichhaltige Festgebäck zu genehmigen. Begründet wurde dies u.a. damit, dass der darin enthaltene Zucker eine wirksame Arznei sei, die das Fieber senke, welches bei der Jagd durch den Wolfsbiss drohte. Nachdem Papst Nikolaus V. das Gesuch ablehnte, versuchten es die verschiedenen Wettiner Fürsten es nacheinander bei Papst Kalixt III., Papst Pius II.), Papst Paul II. und Papst Sixtus IV.), in allen Fällen erfolglos.
Vielfach wird die Geschichte des Christstollens diesbezüglich nicht ganz korrekt dargestellt. Es war keinesfalls nur ein Fürst und ein Papst mit der Genehmigung der Butter statt des Rüböls befasst, sondern eine ganze Reihe. Die meisten davon ohne Ergebnis, wie dargestellt.
Die Geschichte des Christstollens Teil 4
Papst Innozenz VIII. erlaubt die Zugabe von Butter.
Die jahrzehntelangen Bittgesuche der Wettinger Fürsten wurden auch durch Kurfürst Ernst von Sachsen und seinen Bruder Albrecht der Beherzte fortgesetzt. Beide schickten im Jahr 1470 ein Gesuch an Papst Innozenz VIII., in dem sie darum baten, zumindest das oft tranige Rüböl im „Christbrot“ durch Butter ersetzen zu dürfen. Ein ähnliches Gesuch sollen auch die Münchner Bäcker im Jahre 1479 an den Papst gerichtet haben. Diese Wünsche blieben lange ungehört, so wie bei den vielen Päpsten zuvor. Erst mit Brief vom 10. Juli 1491, ganz am Ende seines Pontifikats, hat Papst Innozenz VIII. dem Gesuch entsprochen und die Fastenvorschriften gelockert.
Sein Schreiben ging als Butterbrief in die Geschichte des Christstollens ein, galt aber nicht nur für dieses Gebäck. Die Genehmigung wurde an die Bedingung geknüpft, jährlich des zwanzigsten Teil eines Goldgüldens zugunsten des Neuaufbaus des Freiberger Doms zu zahlen, der während eines großen Stadtbrandes im Jahr 1484 fast völlig zerstört wurde.
Als Sachsen ab dem Jahr 1539 evangelisch wurde, fiel das Butterverbot gänzlich weg. Laut einem Beitrag der ehemaligen Leiterin des Museums der Brotkultur in Ulm sollen auch die Münchner Bäcker auf ihr Gesuch hin einen Butterbrief von Papst Innozenz VIII. erhalten haben….
Wenn ihr diese interessante Geschichte weiterlesen wollt, lasst es mich wissen.
Genießt die Feiertage und vergesst nicht, das Leben wirklich intensiv zu leben und zu erleben – und hinterfragt alles.
Frohes Fest und ein erfolgreiches gesundes neues Jahr 2021!
Euer Sven aus der Baker‘s Kitchen